Forschung
Das Standardmodell der Teilchenphysik
Das zentrale Ziel der Emmy-Noether Gruppe ist die Suche nach Phänomenen jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik.
Das Standardmodell ist extrem erfolgreich in der Beschreibung der fundamentalen Bausteine der Materie und ihrer Wechselwirkungen.
Dennoch ist es unvollständig, da es zum Beispiel die Materie-Antimaterie Asymmetrie im Universum nicht erklären kann und keinen Kandidaten für die dunkle Materie beinhaltet.
Erweiterungen des Standardmodells welche diese Fragen beantworten werden als Neue Physik bezeichnet und führen im Allgemeinen neue, schwere Teilchen ein.
Suche nach Neuer Physik mit seltenen B Zerfällen
Die Emmy-Noether Gruppe sucht nach diesen neuen Teilchen in seltenen Zerfällen von Teilchen welche b Quarks enthalten.
Zerfälle von b Quarks in leichtere Quarks gleicher Ladung sind im Standardmodell stark unterdrückt und nur über Quantenfluktuationen erlaubt (GIM Mechanismus).
Neue Teilchen können als zusätzliche Quantenkorrekturen signifikant beitragen und somit die Raten dieser Prozesse ändern
sowie die Winkelverteilungen der Teilchen im Endzustand beeinflussen.
Dabei können diese Teilchen Massen besitzen, welche weit jenseits der Schwerpunktsenergie heuter Teilchenbeschleuniger liegen
und somit nicht durch direkte Produktion nachgewiesen werden können.
Das LHCb Experiment am LHC
Das LHCb Experiment am Large Hadron Collider (LHC) am CERN ist spezialisiert auf die Analyse von Zerfällen von Teilchen welche b Quarks beinhalten.
Am LHC werden enorme Mengen von b Quarks erzeugt, im LHCb Experiment pro Jahr etwa 1012 = 1 Billion b anti-b Quarkpaare pro Jahr bei einer LHC Schwerpunktsenergie von 13 TeV.
Zusammen mit der hocheffizienten Rekonstruktion und Selektion von b Zerfällen erlaubt es das LHCb Experiment auch seltene Prozesse zu studieren.
Insbesondere die seltenen Zerfälle welche für die Emmy-Noether Gruppe von Interesse sind und welche typische Verzweignungsverhältnisse von 10-6 besitzen (d.h. sie finden nur in einem aus einer Millionen Fälle statt) können präzise vermessen werden.
Stand der Forschung
Schwerpunkt der Emmy-Noether Gruppe sind semileptonische Zerfälle, bei denen das b Quark in ein s Quark und zwei Leptonen (Muonen oder Elektronen) übergeht.
Mehrere Messungen seltener Zerfälle in diesem sehr aktiven Forschungsgebiet zeigen derzeit interessante Abweichungen von den Standardmodell-Vorhersagen von etwa drei Standardabweichungen [1] [2] [3] [4].
Diese Abweichungen sind auch als Flavour-Anomalien bekannt.
Interessanterweise ist es möglich alle Abweichungen konsistent durch Beiträge Neuer Physik zu erklären.
Dennoch ist es auch möglich, dass schwer berechenbare und unterschätzte Standardmodellbeiträge für die Abweichungen verantwortlich sind.
Um zweifelsfrei festzustellen ob es sich bei den Abweichungen um erste Hinweise auf Physik jenseits des Standarmodells handelt sind präzisere Messungen notwendig.
Observablen welche im Standardmodell präzise vorhergesagt werden können besitzen dabei eine besondere Bedeutung.
Beispiele sind Tests der Leptonuniversalität des Standardmodells und Suchen nach Leptonzahl verletzenden Zerfällen.
Weitere Informationen
Die Flavour-Anomalien sind auch Thema eines Überblicksartikels im Physik Journal der DPG (Oktober 2018), zu finden hier: C. Langenbruch et al., Physik Journal 17 (2018) Nr. 10, sowie in Progress in Particle and Nuclear Physics 120 (2021) 103885 (arXiv:2107.04822).